Seitenanfang
Installation von Solarpaneelen. Weißer Text: Schwimmende Photovoltaikanlagen (FPV)

Schwimmende Photovoltaikanlagen (FPV) –
Eine Handreichung zu ökologischen Auswirkungen


Änderung des § 36 WHG

Mögliche ökologische Auswirkungen von Floating-PV-Anlagen auf künstlichen oder erheblich veränderten Gewässern
Floating-PV-Anlagen (FPV) stellen eine innovative Form der Energiegewinnung dar, deren Einsatz auf Binnengewässern zunehmend in den Fokus rückt. Trotz ihrer potenziellen Beiträge zur Energiewende bestehen derzeit erhebliche Wissenslücken hinsichtlich der ökologischen Auswirkungen auf aquatische Systeme. Auch für künstliche oder erheblich veränderte Gewässer, die ebenfalls bedeutsame Lebensräume darstellen, ist eine differenzierte Betrachtung notwendig.


Was ist Floating-PV (FPV)?

Floating-PV bezeichnet Photovoltaikanlagen, die auf Wasserflächen installiert werden. Diese Technik kommt besonders in dicht besiedelten, trockenen Regionen wie Südasien oder Kalifornien zum Einsatz. Auch in Europa wird sie zunehmend genutzt – allerdings fehlt es noch an umfangreicher wissenschaftlicher Forschung. Fragen betreffen unter anderem Wasserzirkulation, Temperaturveränderungen, Lichtverhältnisse, Windverhalten, Ankertechniken, Sicherheits- aspekte bei Freizeitnutzung sowie Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt. Derzeit erlaubt § 36 WHG FPV-Anlagen nur auf künstlichen oder stark veränderten Gewässern – unter strengen Auflagen.


Warum soll das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) geändert werden?

Nordrhein-Westfalen hat im Bundesrat eine Initiative eingebracht, um die Umweltauflagen für Floating-PV-Anlagen im Wasserhaushaltsgesetz (§ 36 Abs. 3 WHG) zu lockern. Dabei geht es vor allem um die derzeit geltenden Begrenzungen: höchstens 15 % Flächenbedeckung eines Gewässers und ein Mindestabstand von 40 Metern zum Ufer. Ziel ist es, die Leistung solcher schwimmenden Solaranlagen zu steigern und so einen größeren Beitrag zur Energiewende zu leisten. Da das WHG auf europäischem Recht basiert (Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG), könnte Deutschland bei solchen Änderungen jedoch ein Vertragsverletzungsverfahren durch die EU-Kommission drohen.


Warum künstliche Gewässer nicht automatisch für FPV-Anlagen geeignet sind.

Nahezu alle größeren Seen sind von Menschenhand geschaffen. In Deutschland existieren tausende künstlich geschaffene Seen, zum Beispiel aus dem Sand-, Kies- oder Braunkohletagebau. Viele davon haben sich zu wertvollen Ökosystemen entwickelt, in denen zahlreiche Fischarten sowie Insekten, Amphibien und Wasservögel leben. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Biodiversität und dienen der Naherholung. Eine großflächige Überdeckung mit Solarmodulen kann diese sensiblen Lebensräume erheblich beeinträchtigen.

Wie stehen der Fischereiverband NRW und der Deutsche Angelfischerverband (DAFV) zur geplanten Gesetzesänderung?

Der Fischereiverband NRW und der DAFV lehnen die Initiative in der derzeit geplanten Form entschieden ab. Die geltenden Regelungen schützen die Ökologie der Gewässer, v. a. in den besonders wertvollen Uferbereichen, die Artenvielfalt und die Nutzung durch Angler und Erholungsuchende. Eine generelle Lockerung ohne ökologische Einzelfallprüfung gefährdet wertvolle Lebensräume. Aus Sicht der beiden Verbände würden wirtschaftliche Interessen damit Vorrang vor Umwelt- und Naturschutz erhalten.

Zentrale ökologische Risiken und Unsicherheiten durch den Ausbau der FPV werden im Folgenden aufgeführt:

1. Reduzierte Lichtverfügbarkeit

Die Abdeckung der Wasseroberfläche durch PV-Module führt zu einer signifikanten Reduktion der Lichtdurchlässigkeit. Diese beeinträchtigt die Photosyntheseleistung von Phytoplankton, Makrophyten und benthischer Flora und kann zur Verringerung der Primärproduktion sowie zu negativen Veränderungen innerhalb des Nahrungsnetzes führen (trophische Kaskadeneffekte).

 

2. Veränderung des thermischen Regimes

Durch die modulbedingte Abschattung sowie potenzielle Wärmeabstrahlung kann es zu einer Beeinflussung des natürlichen Temperaturregimes kommen. Solche Veränderungen können die Schichtung des Wasserkörpers beeinflussen und sich negativ auf temperatur- und laichzeit- abhängige Prozesse innerhalb der Fischfauna auswirken.



3. Beeinträchtigung der Sauerstoffdynamik

Die Kombination aus geringerer Photosynthese und veränderter Wasserschichtung kann zu einer Abnahme des gelösten Sauerstoffs, insbesondere in tieferen Wasserschichten, führen. Eine dauerhafte Sauerstoffarmut stellt ein Risiko für viele aquatische Organismen dar und begünstigt prozessuale Veränderungen im Stoffhaushalt (z. B. Remobilisierung von Phosphor aus dem Sediment).

 

4. Hemmung des atmosphärisch-aquatischen Gasaustauschs

Durch die weitgehende Überdeckung der Wasseroberfläche mit schwimmenden Strukturen wird der Austausch von Gasen (O₂, CO₂, CH₄) mit der Atmosphäre behindert. Dies kann den natürlichen Selbstreinigungsmechanismus des Gewässers beeinträchtigen und den biogeochemischen Stoffhaushalt erheblich verändern.



5. Mechanische Abschirmung gegenüber Tieren

Durch die mechanische Abschirmung der Wasseroberfläche gegenüber Tieren kann es zu Störungen von Anflug, Landung und Emergenz kommen. Viele Insektenarten wie z. B. Eintags- fliegen, Köcherfliegen, Steinfliegen oder Mücken verbringen den größten Teil ihres Lebens als Larven oder Puppen im Wasser. Wenn sie sich zur Fortpflanzung entwickeln, emergieren sie. Das bedeutet, sie steigen aus dem Wasser auf und verwandeln sich in ihre erwachsene Form.



6. Eintrag potenziell schädlicher Substanzen

Die im Bau verwendeten Materialien (z. B. Kunststoffe, Metalle, Beschichtungen) können unter Einwirkung von UV-Strahlung, Temperatur oder mechanischer Belastung Schadstoffe (z. B. Mikroplastik, Additive, Flammschutzmittel) freisetzen. Die ökotoxikologische Relevanz solcher Einträge ist bislang kaum untersucht.



7. Verlust und Fragmentierung von Lebensräumen

Floating-PV-Anlagen führen zu einer physischen Überformung des Gewässers. Strukturelle Lebensräume wie Flachwasserbereiche, Laichplätze oder Uferzonen können durch Veranker- ungen, Wartungsarbeiten oder die reine Flächenbelegung beeinträchtigt oder zerstört werden. Auch flugfähige Arten wie Wasservögel können durch großflächige FPV-Anlagen gestört werden.



8. Verschiebung planktischer Gemeinschaften

Veränderungen in Lichteinfall und Temperatur sowie mögliche Stoffeinträge beeinflussen die Zusammensetzung und Produktivität planktischer Gemeinschaften. Dies kann zu einer Dominanz einzelner Arten (z. B. Cyanobakterien) führen und das ökologische Gleichgewicht nachhaltig verändern.



9. Hemmung organismischer Wanderbewegungen

Verankerungssysteme und Unterkonstruktionen können als Barrieren für Wanderbewegungen von Fischen oder benthischen Organismen wirken. Dies betrifft insbesondere Arten, die zwischen verschiedenen Habitattypen wechseln (z. B. zwischen Laich- und Nahrungsgebieten).



10. Komplexe Wechselwirkungen mit bestehenden Nutzungen


In vielen Fällen bestehen bereits Nutzungen wie Fischerei oder Wassersport. Die potenziellen Synergien oder Nutzungskonflikte durch FPV-Anlagen – auch mit Blick auf deren ökologische Folgewirkungen – sind aktuell nicht abschließend abschätzbar und erfordern interdisziplinäre Bewertungen. Dem Grundsatz nach ist hier das Vorsorgeprinzip im Sinne der Umwelt anzuwenden.

 

Fazit

Die ökologischen Effekte von FPV-Anlagen sind bislang nur punktuell untersucht. Es fehlt an systematischen Langzeitstudien und einem standardisierten ökologischen Monitoring, das Veränderungen über verschiedene Jahreszeiten, Alterungsphasen der Anlagen sowie bei unterschiedlichen Gewässertypen erfassen könnte.
Selbst wenn künftige Studien eine geringe Beeinträchtigung der Ökosysteme zeigen, wären die betroffenen Gewässerflächen für die Freizeitnutzung nicht mehr verfügbar. Statt FPV sollte der Gesetzgeber Anreize für Photovoltaik auf Flächen schaffen, die kaum Erholungswert besitzen. Aus Sicht des Verbands gibt es umweltfreundlichere Wege, die Energiewende voranzubringen, ohne naturnahe Gewässer zu beeinträchtigen.

Die derzeit noch unzureichende Datenlage zu den mittel- und langfristigen Auswirkungen von Floating-PV-Anlagen auf Binnengewässer unterstreicht die Notwendigkeit einer vorsorgenden Umweltbewertung. Vor dem weiteren Ausbau sind standortspezifische Prüfungen, ein begleitendes ökologisches Monitoring sowie weiterführende Forschungsprogramme unabdingbar, um unerwünschte ökologische Folgewirkungen frühzeitig erkennen und vermeiden zu können.

Im Einzelnen sollten folgende Forderungen unbedingt Berücksichtigung finden:

− Umweltverträglichkeitsprüfungen für jede geplante Floating-PV-Anlage - unabhängig von ihrer Größe - und Aufnahme von FPV in Anlage 1 des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes (UVPG)

− Eine verbindliche Einzelfallprüfung bei Planung und Genehmigung von FPV-Anlagen

− Umfassende Berücksichtigung aller betroffenen Tier- und Pflanzenarten – insbesondere Fischarten und aquatische Lebensgemeinschaften

− Erfassung des Ist-Zustands der betroffenen Gewässer sowie langfristiges Monitoring zur Bewertung ökologischer Auswirkungen

− Beibehaltung der aktuellen Begrenzungen für Flächennutzung und Mindestabstand zum Ufer – keine Ausweitung dieser Vorgaben

− Sicherstellung des Zugangs zu den Gewässern und der Möglichkeit zur Angelfischerei auch nach Installation einer FPV-Anlage

Stand: 24.06.2025


powered by webEdition CMS